Ein schwarzer Hintergrund, fünf Hocker, ein Kleiderständer für die Kostüme und zwei Lampen genügen dem Schauspieltrio, bestehend aus Aless Wiesemann (Marie), Raphael Batzik (Woyzeck und Tambourmajor) und Thilo Matschke (Hauptmann, Doktor und Andres), um Georg Büchners „Woyzeck“ zu inszenieren. Am 01.03.2024 fand in der Aula der Gesamtschule Hünxe eine Aufführung des Dramas statt, bei der die Schauspieler einige Aspekte anders als erwartet umsetzten.

In Georg Büchners berühmten Dramenfragment über den Pauper Woyzeck versucht dieser sich und seine kleine Familie mit gleich mehreren Arbeitensich über Wasser zu halten. Doch statt Anerkennung trifft er auf stetige Erniedrigung durch seinen Vorgesetzten, den  Hauptmann, und einen Arzt, für den er seinen Körper für ein medizinisches Experiment verdingt. Als seine Lebensgefährtin Marie ihn dann noch mit dem großspurigen Tambourmajor betrügt, beschließt Woyzeck, sie umzubringen.

Unerwartet bei dieser Inszenierung sind zum Beispiel die Kostüme, wie die Verwendung der blauen Kleidung für den Soldaten Woyzeck. So sieht man ihn in einem blauen Pullover und einer Jeans anstatt in einer altertümlichen Soldatenuniform. Für viele wird dies erst in der abschließenden Diskussionsrunde nach der Aufführung verständlich: Die blaue Farbe symbolisiert laut den Schauspielern die Tiefe und Ungewisssheit des Meeres und seiner Wellen, was übertragen auf Woyzecks zunehmende Verwirrung und Verzweiflung mit sich selbst hinweisen soll. Eine Assoziation, die von Schauspielerin und Kostümbildnerin Aless Wiesemann selbst stammt. Marie dagegen wird mit roter Kleidung dargestellt, was sowohl auf Liebe und Erotik als auch auf ihr tragisches Ende hinweist.

Die Verwendung von Masken wirken einerseits etwas übertrieben, helfen andererseits aber dabei, Figuren und ihr Verhalten besser zu verstehen. Auf diese Weise wird die egoistische und bösartige Natur des Doktors veranschaulicht und die Katzenmaske, die Marie zeitweise trägt, stellt eine Verbindung zum Tambourmajor her, um ihre Verführung und das gemeinsame Vergnügen zu zeigen. Düstere Instrumentalmusik, die sich wie eine gesprungene Schallplatte immer wiederholt, sowie aktuelle Künstlerinnen wie Billie Eillish verstärken die Tragik der Handlung und unterstreichen Woyzecks Verwirrung und immer größer werdenden Desorientierung. Doch nicht nur mit Liedern, sondern auch mit Geräuschen wie Klatschen oder Hintergrundlachen wird gearbeitet. Das Hintergrundlachen ist hierbei umso auffälliger, als dass es die Kritik und (Ab-) Wertung dem Menschen Woyzeck gegenüber zeigt und immer mehr Druck aufbaut.

Dass nicht jede Szene des Dramas auf die Bühne gebracht, sondern einzelne ausgelassen werden, kommt dem Stück ebenso zugute wie gewisse Änderungen. Maries Sterbesszene beispielsweise wird etwas abgewandelt. Statt eines Messers, das ihr brutal in den Brustkorb gerammt wird, wird ein Schal verwendet, um sie zu erhängen und zur Schau zu stellen, weil sie für die letzten Szenen weiterhin gut sichtbar auf der Bühne “hängen“ bleibt. Ein interessantes Detail erfährt man auch hier in der Nachbesprechung, denn die Schauspielerin selbst erzählt, dass sie dieses Detail bewusst geändert hätten. Nicht nur, weil es besser zu ihrer „Woyzeck“ Interpretation passt, sondern auch, weil sie das Tuch nehmen, das vorher für das gemeinsame Baby Maries und Woyzecks verwendet worden ist. Damit drücken sie aus, dass das Ende des Babys offen und ungeklärt bleibt, anders als im Drama, in dem das Kind weggegeben wird.

Schlussendlich lässt sich sagen, dass die Inszenierung das Drama zwar anschaulich umsetzt, jedoch für einige Zuschauer aufgrund diverser Details wie die entfremdenden Masken zu komplex und unverständlich ist, insbesondere für diejenigen, die sich zuvor nicht intensiv mit dem Dramenfragment von Georg Büchner auseinandergesetzt haben. Trotz einiger übertriebener Darstellungen gelingt es der Inszenierung jedoch, Woyzecks posttraumatische Belastungsstörung angemessen zu vermitteln und das Dramenfragment zeitgemäß zu interpretieren. Die Aufführung trägt somit dazu bei, die Themen des fast 200 Jahre alten Dramas heute noch relevant zu halten, insbesondere die Überlastung, Beziehungskonflikte und gesellschaftlichen Spannungen, die auch aktuelle Probleme in unserer Gesellschaft darstellen.